Das Leben des Buddha im Kloster von Tabo (Spiti-Tal, Indien; 11. Jh): Narrative Kunst im Dienst des Frühen Westtibetischen Königreichs

Termin: Donnerstag, 27.04.2023, 18:00 Uhr

Treffpunkt: Museum in Dahlem/Kleiner Vortragssaal in der Takustraße 40

Referentin: Dr. Christiane A. Kalantari

Das Gebiet Westtibets spielte eine bedeutende Rolle bei der Übertragung des indischen Mahāyāna-Buddhismus und der Entwicklung des tibetischen Buddhismus und seiner religiös-künstlerischen Ausdrucksformen im ‚Land des Schnees‘. Im 10. Jahrhundert gründeten in dieser, im westlichen Trans-Himalaya gelegenen Region, Nachfolger der früheren königlichen Linie Zentral-Tibets ein Königreich. Unterstützt von lokalen aristokratischen Verbündeten, stifteten sie spektakuläre Klöster und agierten, gemeinsam mit bedeutenden gelehrten Übersetzern und überregional angesehenen Meisterkünstlern, als bedeutende Auftraggeber von religiösen Kunstwerken.

Narrative Darstellungen des Buddha-Lebens gehörten zu den populärsten Themen in den neuen Kulturräumen, und diese hatten eine wichtige Funktion in der buddhistischen Umgestaltung der westtibetischen Kulturlandschaft.

Wie haben sich die visuellen Erzählweisen der spirituellen Reise des Buddha in diesen neuen buddhistischen Sakralräumen entwickelt? Wie wurden die Textquellen visuell umgesetzt, und welche Ideen, welche Formensprache und bildlichen Modelle prägten die Bildfindungen? Neue Forschungen zur umfassenden Identifizierung des frühesten erhaltenen Wandmalerei-Zyklus im historischen Westtibet in Tabo legen nahe, dass die Zyklen nicht nur die Funktion hatten, den Gläubigen die detaillierte spirituelle Entwicklung des Buddha der teilweise neu konvertierten Bevölkerung näherzubringen, sondern sie dienten auch der Imagepflege der Stifter und damit dem Aufstieg des Königshauses, indem sie den Buddhismus als Grundlage der Herrschaftsauffassung darstellten. Basis dafür war ein Konzept des Königtums, das sich während der Zeit des tibetischen Reiches (7. bis 9. Jahrhundert) entwickelt hatte und das verbunden war mit einer buddhistischen Vorstellung von Souveränität, die den tibetischen Herrscher als Bodhisattva darstellte und idealisierte.

Die Arbeit bricht dabei mit etablierten und teilweise fragmentierten Sichtweisen, da sie auf detaillierten Studien relevanter textlicher und visueller Quellen in Indien und auf einer viel umfangreicheren und umfassenderen Dokumentation basiert, die durch multidisziplinäre Feldforschung im historischen Westtibet (Ngari, Himachal Pradesh und Ladakh) generiert wurde.

Ziel ist, die transkulturelle Dynamik einer hochentwickelten, kosmopolitischen Kulturlandschaft zwischen dem 10. und dem 12. Jahrhundert besser zu verstehen – gelegen zwischen den Grenzgebieten Tibets und den islamisch-persophonen Regionen in Zentralasien und in Kaschmir – und wie sich dort eine eigenständige tibetische Kunst entwickelte.

Der Fokus wird dabei vor allem auch auf bisher wenig beachtete Aspekte in Erzählungen über die spirituelle Suche gelegt, nämlich inwiefern solche Medien auch Ideen und Bilder von Frauen und Weiblichkeit, sowie von Stifterinnen, Nonnen und Laienfrauen, reflektieren. Durch die kritische Untersuchung gängiger Narrative über Handlungsmöglichkeiten und Charismen der Frauen in den westtibetischen Bildzyklen werden etablierte Perspektiven und traditionelle Betrachtungs- und Analysemethoden von Artefakten in Frage gestellt und eingeschränkte Blickwinkel in der bisherigen kunstwissenschaftlichen Forschung erweitert.

 

Über die Referentin:

Dr. Christiane A. Kalantari ist Kunsthistorikerin und bearbeitet am Institut für Sozialanthropologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien in einem interdisziplinären Team den wissenschaftlichen Tibet-Nachlass von Peter Aufschnaiter. Sie ist spezialisiert auf die historische, visuelle, ikonographische und theoretische Erforschung der Kunst- und Kulturgeschichte Westtibets (10.–18. Jahrhundert). Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören der rituell-ästhetische Raum des buddhistischen Tempels, die transkulturellen Dimensionen materieller Kultur, die lokalen Kulte weiblicher Territorialgottheiten sowie die bildliche Repräsentation von Gesundheit und Heilung.

 

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