Der Dalai Lama und der Kaiser von China –
Aufstieg und Niedergang der Theokratie in Tibet (2. Hälfte 17. Jahrhundert)
Termin: Donnerstag, 25.11.2021, 18 Uhr
Referent: Dr. Norbert A. Deuchert
Der „Große Fünfte“ Dalai Lama, Ngawang Lobsang Gyatso (1617-1682), stellte mit Hilfe von mongolischen Verbündeten die politische Einheit Tibets her. Unter seiner Regierung wurde Tibet zu einer religiösen Macht Innerasiens und Lhasa mit dem Potala-Palast zu einem neuen attraktiven Zentrum.
Auf Einladung des Kaisers Shunzi (1638-1661), des 1. Kaisers der Qing-Dynastie, unternahm er 1653 eine siebenmonatige Reise nach Beijing. Das Einvernehmen zwischen Kaiser und Dalai Lama gründete sich auf dem Konzept der zwei Reiche, des säkularen und des religiösen. Der Kaiser sollte als Schutzherr der Religion fungieren. Der Dalai Lama, das Oberhaupt Tibets, der große Verehrung bei den buddhistischen Völker der Mongolei genoss, sollte zu deren Pazifizierung an den Grenzen Chinas beitragen.
Nach dem Tod des 5. Dalai Lama 1682 wurde der Regent Sangye Gyatso (1653-1705) zum Alleinherrscher Tibets. Er hielt dessen Tod über 15 Jahre lang bis 1697 geheim, auch vor Chinas neuem Kaiser Kangxi (1654-1722). Im Inneren baute er das theokratische System aus, nach außen konspirierte er mit Galdan (1644-1697), dem Herrscher der mongolischen Dzungaren, in der Hoffnung, dieser könnte ein buddhistisches Reich mit dem Zentrum Lhasa errichten. Galdan wurde zu einer ernsthaften militärischen Bedrohung für das Qing-Reich. Kaiser Kangxi konnte ihn erst 1696 endgültig besiegen. In der Folge war das politische Verhältnis Chinas zu Tibet zerrüttet.
Die Reinkarnation des 5. Dalai Lama, Tsangyang Gyatso (1683-1706), wurde im Jahre 1683 aufgefundenen. Die Jahre der Kindheit und Jugend musste er in einer Art Festungshaft verbringen, seine Inthronisation als 6. Dalai Lama erfolgte im Jahre 1697. Aufgefordert im Alter von 20 Jahren (endlich) seine Mönchsgelübde abzulegen, verweigerte diese vor der versammelten geistlichen und adligen Spitze Tibets. Er verweigerte ebenso die Übernahme politischer Aufgaben und führte fortan ein weltliches Leben.
Zur politischen kam eine religiöse Krise Tibets, welche die Fundamente der Theokratie erschütterte. Der Regent und der junge Dalai Lama kamen in den bürgerkriegsähnlichen Unruhen der folgenden Jahre ums Leben. China nahm verstärkten Einfluss auf Tibet. Bis zum Ende der Qing-Dynastie im Jahre 1912 blieb Tibet ein Protektorat Chinas.
Der Referent ist Historiker und Kenner der Kunstgeschichte Asiens, er möchte seinen Beitrag über den „Großen Fünften“ Dalai Lama in der Indo-Asiatischen Zeitschrift 2020 mit neuen Quellen aus historischer Sicht ergänzen.